Institut für den Nahen und Mittleren Osten
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Judaistik in München

Das Institut für den Nahen und Mittleren Osten, an dem die Judaistik angebunden ist, ist 2007 im Zuge der Zusammenlegung des Instituts für Semitistik (1906–2007) und des Instituts für Geschichte und Kultur des Nahen Orients sowie Turkologie (1948–2007) entstanden. Natürlich gab es die Judaistik an der LMU schon lange zuvor, und die Geschichte des Fachs wurde durch Forscher geprägt, deren Namen weithin bekannt sind.

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bot das Institut für Semitistik nur selten Veranstaltungen zur hebräischen Sprache an. Studierende, die die Sprache erlernen und sich mit hebräischen Texten auseinandersetzen wollten, wandten sich in der Regel an die Fakultät für Theologie. Ein Wissenschaftler, der in der Geschichte der Judaistik in München in dieser Zeit dennoch herausragt, war Gershom Scholem. Er wurde 1922 bei Fritz Hommel mit einer Arbeit über das Sefer ha-Bahir promoviert, ein anonymes Werk der jüdischen Mystik (Kabbala). Nach seiner Emigration nach Palästina wurde der überzeugte Zionist Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem sowie Präsident der Israelischen Akademie der Wissenschaften. Scholem führte die akademische Erforschung der Kabbala die moderne Wissenschaft ein. Mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen zu diesem Thema gilt er heute als der bedeutendste Interpret mystischer Werke.

1928 wollte Gotthelf Bergsträßer, der Lehrstuhlinhaber des Seminars für Semitistische Philologie und Islamwissenschaften an der Fakultät für Philosophie, der Judaistik neue Wege eröffnen. Seine Vision war der Unterricht über talmudische Texte, gehalten von dem promovierten Rabbiner Joseph Prijs und finanziert aus der Privatkasse des Stifters James Loeb. Bald darauf durfte Prijs tatsächlich einen ersten Kurs über das Talmudtraktat Sanhedrin anbieten. Der 1889 in Würzburg geborene Theologe, der in Galanta (heutige Slowakei) zum Rabbiner ordiniert worden war, war zuvor einige Jahre in Breslau als Lehrer für Griechisch und Literatur angestellt. 1921 zog er nach München, wo er als Rabbiner und Vorsitzender der Münchner „Talmud-Tora“ arbeitete. Im Zuge der nationalsozialistischen Machtübernahme im Jahr 1933 floh er mit seiner Familie in die Schweiz. Kaum dreißig Jahre später kehrte sein Sohn Leo zurück nach München – und trat in die Fußstapfen seines Vaters. 1962 habilitierte Leo Prijs sich an der LMU mit einer Arbeit über die Midraschim, zwei Jahre später wurde er zum Privatdozenten ernannt. Damit war er der erste institutionalisierte Dozent der Judaistik in der Bundesrepublik Deutschland. Wie zuvor schon sein Vater arbeitete er viel mit den Hebraica-Beständen der Bayerischen Staatsbibliothek. 1967 wurde Leo Prijs zum Wissenschaftlichen Rat berufen, 1970 außerplanmäßiger und 8 Jahre später schließlich ordentlicher Professor. Bis 1988 leitete er das Institut für Semitistik, obwohl er zu dieser Zeit bereits im Ruhestand war. Während der 26 Jahre, die Prijs an der LMU verbrachte, veröffentlichte er 16 Bücher über das Judentum und war an zahlreichen Handschriftenprojekten in ganz Deutschland beteiligt.

Seit 1986 hatte Hans-Georg von Mutius eine Professur am Lehrstuhl für Semitistik und übernahm 2007 die Leitung für Judaistik und Arabistik am neuen Institut, die er bis 2015 innehatte. Er wurde doppelt promoviert, zunächst in Bochum mit einer Arbeit über „Die Übereinstimmungen zwischen der arabischen Pentateuchübersetzung des Saadja Ben Josef Al-Fajjumi und dem Targum des Onkelos“ und schließlich in Köln mit einer Arbeit mit dem Titel „Kainiterstammbaum: Genesis 4/17-24 in der jüdischen und christlichen Exegese“. Von Mutius habilitierte sich an der Universität Köln, wechselte jedoch fünf Jahre später nach München. Als Experte von Bibelinhalten und –übersetzungen, liturgischen Texten, Judentum im Mittelalter und vor allem der jüdischen Rechtslehre (Halacha) machte er sich seit den 70er Jahren einen Namen in der Judaistik. Neben Artikeln unter anderem zu Bibelauslegungen, Textkritik und mittelalterlichen hebräischen Dichtung publizierte er zahlreiche Textausgaben und kommentierte Übersetzungen rabbinischer und mittelalterlicher hebräischer und aramäischer Texte.

Seit 2015 wird die Professur der Judaistik von Ronny Vollandt vertreten.


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