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Istanbul: Das Erbe und das Überflüssige. Die Ethik von Stadtumbau und Denkmalschutz, 1910 bis zu den Gezi-Protesten 2013

Die Frage was für eine Stadt Istanbul sei und sein solle – islamisch, traditionell, orientalisch,eine Dritt-Welt-Metropole, (post-)kolonial oder global etwa –, ist nicht neu.Stadtpolitikund besonders Denkmalschutz haben im vergangenen Jahrhundert fortwährend versucht, eine Antwort zu finden.Denkmalschutzbestimmt,ob das Stadtgefüge und ihre Geschichte(n) entweder schützenswertesErbe oder Wertloses, Überflüssiges ist. „Das Erbe und das Überflüssige“ setzt sich mitKonflikten über historische Bausubstanz auseinander, die mit ethischen Argumenten verhandelt werden. Das Projekt untersucht,wie bauliche Formen und historische Leitbilder an Subjekte gekoppelt werden und so eine Ethikvom „guten“ und „richtigen“ Leben schaffen. Die Aushandlung über den Wert oder die Überflüssigkeithistorischen Erbes in Istanbul verbindet sich deshalb nicht nur mit der Frage, wie die Stadtsein, sondern auch damit, wer in dieser Stadt wie leben solle.

Im Falle Istanbuls ist dieses gute Subjekt im Zeitraum 1910 bis 2013 immer ein „modernes“, fürdas die Stadt „modern“ zu gestalten ist, dassich aber dieser auchwürdig zu erweisen hat.Die moderne Stadt und ihre modernen Bürger/innen seiensich ihrer „Wurzeln“ bewusst, gingen respektvoll mit ihnen um und wüssten sie durch Denkmalschutzzu konservieren. Der/die moderne Bürger/in schützt –nur welche der vielen möglichen Vergangenheiten?

Mithilfe einer historischen Diskursanalyse verfolgt dasForschungsprojekt das Ziel, die Konflikte um das Erbe und das Überflüssige im Konfliktfeld„Denkmalschutz“ als ethische Aushandlung besser begreifbar zu machen. Dabei gilt es, die beteiligtenAkteur/innen zu identifizieren, Wandel in der diskursiven Definition des Erbes/des Überflüssigenzu dokumentieren, zu erklären und eine mögliche Konjunktur des Ethischen im vergangenenJahrzehnt zu prüfen.

Das Teilprojekt wird von unseren Kooperationspartnern Prof. Dr. Murat Güvenç (Kadır Has Universität Istanbul, Istanbul Studies Centre), Dr. Jean-François Pérouse  (Direktor des Institut Français d‘Études Anatoliennes) und Assoc. Prof. Dr. Yonca Erkan Kösebay (Kadır Has Universität Istanbul, Architektur, MA-Programm Denkmalschutz, Inhaberin der UNESCO-Professur) begleitet. 

Projektleiter Prof. Dr.Christoph K. Neumann Lehrstuhl für Türkische Studien Institut für den Nahen und Mittleren Osten  Geschichte der Historiographie, osmanischen Stadt, die der Entstehung moderner Öffentlichkeit in Istanbul sowie zeitgenössische türkische Erinnerungskultur gehören zu meinen Forschungsinteressen.

Das Projekt behandelt eine der Schnittstellen dieser Themen; und es bezieht Fragen von Materialität und Spatialität ein – für die Geisteswissenschaften heute wesentliche Anknüpfungspunkte an andere Disziplinen. Der ethische Aspekt ist dabei zentral, denn er ermöglicht die Formulierung von verbindenden Fragen politischer, sozialer und methodischer Relevanz.

Projektbearbeiterin Dr. Julia Strutz : Um die Stadt Istanbul besser zu verstehen, habe ich mich in den vergangenen Jahren verschiedener akademischer Disziplinen bedient: Soziologie und Politikwissenschaft (HU Berlin), Osmanische Geschichte (Bilgi Universität Istanbul), urban studies (Universität Urbino, Italien) und zuletzt Humangeographie (KU Leuven, Belgien). Dabei interessieren mich vor allem die Bedeutung von Geschichte für die heutige Stadt -- also sowohl Fragen nationaler Identität, der Erinnerung und des kollektivenGedächnisses, als auch die, welche Rolle die Genealogie städtischer Diskursebis heute spielt.


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