Institut für den Nahen und Mittleren Osten
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Basiswissen Islam 2020 (27-31): Migrationen - Menschen, Ideen, Krankheiten

Die Vorträge werden aufgenommen. Die Aufnahmen finden Sie hier.

Die Vorträge finden online über Zoom statt, ohne vorherige Anmeldung.

Basiswissen Islam 27 - Jemenitische(s) Juden(tum) und Migration: klassische und andere Narrative

Dr. Kerstin Hünefeld (Hebräische Universität, Jerusalem), Dienstag, 10. November 2020, 18.15 Uhr, Zoom-Online

„Operation fliegender Teppich“ ist einer der ersten Treffer, wenn man Google zu den Stichworten: Juden, Jemen und Migration befragt. Auch vom kompletten „Exodus“ der jemenitischen Juden „auf Adlerflügeln“, oder gar ihrer „Flucht“ in den 1948 gegründeten Staat Israel während der frühen 1950er Jahre ist im Internet zu lesen. Gleichzeitig fällt auf, dass bis heute immer mal wieder Medienberichte erscheinen, die sich der Migration der „wirklich letzten Juden“ aus dem Jemen widmen, was Fragen darüber aufwirft, warum man vorher den Eindruck gewonnen hat, dass es dort a) schon lange keine Juden mehr gibt und b) alle jemenitischen Juden nach Israel migriert seien.

In meinem Vortrag möchte ich mit Ihnen erkunden, was es mit diesem Hauptnarrativ auf sich hat, und darüber hinaus Einblicke in weitere Zusammenhänge geben, in denen die Migration oder Nicht-Migration von jemenitischen Juden eine Rolle spielt. Darunter auch solche, die vielmehr mit muslimisch-jemenitischen Diskursen als den jemenitischen Juden selbst zu tun haben, oder was Ausprägungen jüdischen Lebens betrifft, in ganz andere Richtungen gehen, als sie im Jemen selbst vertreten waren, als dort sehr viel mehr Jüdinnen und Juden lebten als heute. Wussten Sie zum Beispiel, dass der Jemen das einzige Land ist, in dem es außerhalb des antiken Israels ein jüdisches Königreich gab? Oder einige Jüdinnen und Juden, die selbst noch im Jemen aufgewachsen sind in ihrem heutigen Alltag vor allem Jiddisch sprechen?

Basiswissen Islam 28 - Zucker, Milch und Feuer: wie die Parsis (Zarathushtrier) nach Indien kamen und was sie darüber erzählen

Dr. Michael Stausberg (Universität Bergen), Dienstag, 17. November 2020, 18.15 Uhr, Online-Zoom

Die Religion Zarathushtras, auch als Zoroastrismus bekannt, war bis in frühislamische Zeit die dominante religiöse Tradition im iranischen Kulturraum. Als Reaktion auf die Islamisierung Irans etablierten sich an der indischen Westküste, in Gujarat, kleinere zoroastrische Gemeinden. In Indien sind die Zarathushtrier als Parsen (Parsis) bekannt.

Dieser Vortrag soll die Etablierung der Parsi-Siedlungen beleuchten. Dabei geht es einerseits um historische Ereignisse und Konstellationen, andererseits um die Identitätsbildung der Parsis, wie sie mit Hilfe von historischen Erzählungen konstruiert wird. Im Vortrag werden wir uns die Erzählung von Sanjān eines zoroastrischen Priesters aus dem Jahre 1599 näher anschauen, die ein bemerkenswertes Szenario von Assimilation und Retention entwirft.

Basiswissen Islam 29 - Bilder zirkulieren schnell, Menschen migrieren langsam. Der Jemen in Zeiten von Drohnentechnologie

Dr. Bettina Gräf (LMU, München), Dienstag, 24. November 2020, 18.15 Uhr, Online-Zoom

Vieles ist anders in dieser Pandemie. Was vorerst gleich bleibt, ist der militärische Einsatz von Drohnentechnologie, um als Terroristen identifizierte Menschen zu überwachen und zu töten. Mein Vortrag wird in die Thematik am Beispiel der Drohneneinsätze im Jemen einführen. Des weiteren werde ich aus kulturwissenschaftlicher Perspektive über den Zusammenhang von Technologie, Migration und Medien sprechen und die Rolle von Bild- und Tonaufnahmen beleuchten.

Basiswissen Islam 30 - Die armenische Diaspora: Geschichte und Gegenwart einer ‘entsetzten’ Gemeinschaft

Dr. Mihran Dabag (Universität Bochum), Dienstag, 8. Dezember 2020, 18.15 Uhr, Online-Zoom

Mit dem Begriff des »Entsetzt-Seins« suchte der jüdische Philosoph und Medientheoretiker Vilém Flusser die existentielle Situation von Gemeinschaften nach der Erfahrung von Verfolgung, Vertreibung und Völkermord, das Leben in Exil und Diaspora zu charakterisieren. Ausgehend von dieser Charakterisierung wird der Vortrag die nahezu tausendjährige Geschichte der armenischen Diaspora, die unterschiedlichen Phasen der Gemeinschaftsbildung, ihre Dynamiken und Veränderungen in den Blick nehmen sowie die (Re)Konstruktion, Befragung und Überlieferung von gemeinschaftsbildenden und gemeinschaftstragenden Identifikationen. Nicht zuletzt möchte der Vortrag zugleich das Konzept »Diaspora« selbst diskutieren und die Wandlungen und Verwendungen des Begriffs in den unterschiedlichen Disziplinen kritisch befragen.

Basiswissen Islam 31 - Epidemien in der islamischen Welt des Mittelalters: wie die Erben des Hippokrates mit ansteckenden Krankheiten umgingen

Dr. Peter Pormann (Universität Manchester), Dienstag, 15. Dezember 2020, 18.15 Uhr, Online-Zoom

Ansteckende Krankheiten sind schon seit Urzeiten bekannt: Homers Ilias beginnt mit einer Seuche und Thukydides beschrieb die Pest von Athen klinisch genau. Im sogenannten Corpus Hippocraticum, einer Sammlung von Schriften, die dem Hippokrates von Kos zugeschrieben wurden, findet sich ein Werk mit dem Titel Epidemien, das oft kommentiert wurde, nicht zuletzt von dem grössten römischen Arzt, Galen von Pergamon (129–216). Dieses klassische Erbe bildete auch die Basis dafür, wie sich Ideen über Seuchen in der mittelalterlichen Islamischen Welt entwickelten.

Und hier haben wir ein Paradox: Obwohl griechischen, römischen und arabischen Ärzten bekannt war, dass es Seuchen gab, lehnten sie dennoch die Idee der ‘Ansteckung’ (arabisch ʿadwā) weithin ab. Der theologische Diskurs ist ebenso von einer ähnlichen Ambivalenz gekennzeichnet. Ein einflussreicher Ausspruch (ḥadīṯ) des Propheten Muḥammad lautet, dass es ‘keine Ansteckung’ (lā ʿadwā) gäbe. Doch soll er auch gesagt haben, man solle ‘von Leprakranken wie von einem Löwen fliehen’ und nicht in ein Seuchengebiet gehen, noch es verlassen.

In dem Vortrag werde ich zuerst das griechische Erbe und seine Vermittlung in die Welt des Islam diskutieren. Dann werde ich einige Beispiele aus der reichen arabische Hippokrateskommentartradition besprechen, um zu zeigen, wie die griechischen Ideen neu interpretiert werden. Im dritten und letzten Teil des Vortrages werde ich die theologischen Diskussionen beleuchten.

Organisation: Münchner Mittelost-Mittelmeer-Mittelasien-Zentrum (LMU München) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft der Freunde Islamischer Kunst und Kultur e.V. und der Deutsch-Türkischen Gesellschaft Bayern e.V.


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